Wenn Bewerber von sich aus ihre Bewerbung zurückziehen, ist dies oft eine unangenehme Situation für Recruiter, welche immer häufiger vorkommt. In vielen Fällen sind diese Rückzieher eine Frage der Zeit. Bewerber wollen schnelle Rückmeldungen und eine rasche Entscheidung in einem vernünftigen Zeitrahmen. Die Dauer des Bewerbungsprozesses ist daher ein ganz entscheidender Faktor. Lisa-Marie Linhart von karriere.at hat sich den Bewerbungsprozess angesehen, um diesen für Firmen zu verbessern. Einige Punkte habe ich mit meiner eigenen Erfahrung als Recruiter ergänzt.

____________

 

Eine Umfrage hat ergeben, dass vier von zehn Bewerbern einen Bewerbungsprozess schon einmal abgebrochen haben, bei IT-Fachkräften sind es sogar über 50%. Der Hauptgrund dafür sind zu lange Wartezeiten auf eine Rückmeldung oder Entscheidung. Wird nicht klar und zügig kommuniziert, springen die Bewerber ab. Insgesamt 21 Tage finden diese vom Abschicken der Bewerbung bis zur Zu- oder Absage akzeptabel, also gerade einmal drei Wochen. Für die meisten Unternehmen ein Ding der Unmöglichkeit. Denn Recruiter oder jene Personen, welche sich mit dem Bewerbungsprozess befassen, sind häufig zu sehr mit administrativen Zeitfressern beschäftigt und können sich nicht voll auf die Auswahl der Kandidaten bzw. die Kommunikation mit diesen konzentrieren. Dabei ist es in der Regel gar nicht so kompliziert, man muss sich nur vor Augen halten, dass wir uns aktuell zu Jahresbeginn  2023 schon seit längerem in einem Arbeitnehmermarkt befinden. Das bedeutet, Arbeitssuchende können sich die Firmen ihrer Wahl in vielen Fällen aussuchen. Sie treffen die Entscheidung, ob sie dort arbeiten wollen.

 

 

5 Tipps, um den Bewerbungsprozess zu verbessern

 

Schon eine freundliche Kontaktaufnahme und kurze Reaktionszeiten motivieren Kandidaten, im Bewerbungsprozess zu bleiben. Gestaltet man die Kontaktaufnahme wertschätzend und gibt Informationen zum weiteren Ablauf, sammelt man bereits hier die ersten Punkte bei den Bewerbern und hebt den Recruitingprozess auf ein persönlicheres Niveau.

 

#1 Erstkontakt – kurz und übersichtlich

 

Wenn mit Online-Formularen gearbeitet wird, sollten diese so wenige Eingabefelder wie möglich haben. Denn auch hier spielt die Zeit eine Rolle. Wenn das Ausfüllen länger als 20-30 Minuten dauert, springen bereits 40 Prozent der Bewerber ab. Fehlermeldungen sollten gleich direkt beim jeweiligen Eingabefeld auftauchen und nicht erst ganz am Schluss. Fragen Sie im ersten Schritt nur ab, was unbedingt benötigt wird und für eine korrekte datenschutzrechtliche Verarbeitung unumgänglich ist. Jüngere Generationen bewerben sich oft gleich über ihr Mobiltelefon – ist die Einstiegsseite für eine Onlinebewerbung dafür tauglich?

Eine Bewerbung per E-Mail bedeutet für Firmen oft einen Mehraufwand und schnell sind dabei selbst unbeabsichtigte Verstöße gegen die Datenschutzgrundverordnung an der Tagesordnung, wenn es um die weitere Bearbeitung der persönlichen Daten geht. Andererseits ist eine E-Mail Bewerbung für viele Interessenten der einfachere Weg, manche scheuen sogar eine Bewerbung via Online Formular. Wenn auch Sie über zu wenige Bewerbungen klagen, ist es vielleicht eine Überlegung wert, auch andere, möglicherweise noch gar nicht angedachte Kanäle dafür in Erwägung zu ziehen.

 

#2 Keine Zeit für Kommunikation?

 

Nichts ist so wichtig wie freundliche, wertschätzende Kommunikation mit den potenziellen neuen Mitarbeitern. Oft sind Bewerber erstaunt, wenn ich Ihnen noch am gleichen Tag oder zumindest innerhalb von 24 Stunden den Erhalt der Bewerbungsunterlagen persönlich bestätige und den weiteren Ablauf kurz skizziere. Das ist mit einer Vorlage auch unter zeitlichem Druck nichts Unmögliches und schon sammelt man den ersten Pluspunkt beim Bewerber oder der Bewerberin. In der täglichen To-do-Liste sollte die Beantwortung von Bewerberanfragen also immer oberste Priorität haben. Entweder Sie automatisieren den Erstkontakt oder Sie nehmen sich in einem laufenden Bewerbungsprozess dafür täglich die notwendigen paar Minuten Zeit.

 

#3 Erstkontakt erfolgt, wie geht es weiter?

 

Man schickt eine Bewerbung ab und hört nie wieder etwas von der Firma, so erleben es tatsächlich viele Bewerber. Aber selbst, wenn so schnell wie möglich eine Antwort-E-Mail erfolgt, um diesen negativen Effekt zu vermeiden, ist nur der erste Schritt getan. Natürlich verstehen Bewerber, wenn man sie als Firma 10-14 Tage um Geduld bittet, um sich ein erstes Gesamtbild der Bewerbungen zu machen. Deshalb auch mein Tipp, starten Sie einen Bewerbungsprozess erst, wenn Sie sich die Zeit dafür freischaufeln können.

Trifft ein Bewerber aufgrund der Bewerbungsunterlagen die von Ihnen gesetzten Kriterien gut? Fein, was spricht dann gegen ein erstes (Video-) Telefonat oder sogar schon eine Einladung zu einem persönlichen Gespräch? Setzen Sie sich nicht dem Stress aus, Bewerbungen zu sammeln, um dann die vermeintlich besten Bewerber alle möglichst an einem Tag zu einem Gespräch einzuladen. Das klingt zunächst gut, birgt aber einige Fallstricke. Zunächst ist es fraglich, ob alle Personen tatsächlich an diesem Tag zur vorgegebenen Zeit zur Verfügung stehen. Wenn Sie keine Erfahrung für 3-4 oder mehr Gespräche an einem Tag mitbringen, kann ich Ihnen versichern, am Abend dieses Tages herrscht bei Ihnen nach dem letzten Gespräch mehr Verwirrung als Klarheit.

Bewerbungsprozess
 

#4 Bewerbermanagementsysteme als digitale Hilfsmittel

 

Ob es das automatisierte Antwortmail ist, oder gleich ein Bewerbermanagementsystem (oder auch CRM = Customer Relationship Management System) genützt wird, digitale Tools beschleunigen den Bewerbungsprozess enorm und verringern den administrativen Aufwand. Vielleicht sagen Sie jetzt, aber mein CRM verwende ich ja nur für Kunden. Sehr gut, dann behandeln Sie Ihre Bewerber in Ihrer Denkweise zunächst wie Kunden. Sie werden es Ihnen danken. Man behält damit den gesamten Recruitingprozess gut im Blick. Man weiß, wie lange einzelne Bewerber schon auf eine Rückmeldung warten, wer bereits einen Termin für ein Jobinterview hat und wem wann zu- oder abgesagt wurde. Hoch entwickelte Bewerbermanagementsysteme lesen sogar automatisch die Daten des Lebenslaufs aus und ersparen so zusätzliche Eingabearbeiten. Wenn man das will, gleichen manche sogar ab, wie gut der Bewerber zu den Aufgabenkriterien der jeweiligen Stelle passt oder wo er oder sie sonst eingesetzt werden könnte.

 

#5 Transparenz und Absagen

 

Legt sich der Bewerber mit dem Ausfüllen des Bewerbungsformulars zugleich einen Account auf der Karriereseite an, so kann er seine Daten jederzeit selbst aktualisieren. Gewährt man ihm damit auch Einsicht in den aktuellen Stand seiner Bewerbung, so hat das einen doppelt positiven Effekt: Der Personalverantwortliche muss die Daten des Kandidaten nicht selbst ändern und dauernd Anfragen zum Status beantworten. Dem Bewerber hingegen wird vermittelt: Bei uns lebt man Transparenz und Eigenverantwortung. Bei uns weißt du, was Sache ist, und darfst vieles selbst entscheiden. Im Idealfall stimmt das dann auch im Arbeitsalltag.

Vergessen Sie am Ende des Prozesses nicht auf wertschätzende Absagen, entweder per E-Mail oder auch telefonisch. Auch das gehört zur Transparenz. Absagen sind nie angenehm. Hat man den Bewerber jedoch durch den gesamten Ablauf hindurch am Laufenden gehalten, nimmt man der Negativität der Absage die Speerspitze. Und wer weiß, vielleicht kann der Bewerber auch für andere Positionen im Unternehmen interessiert oder für spätere Vakanzen wieder kontaktiert werden.

 

Haben Sie schon einmal eine Auslagerung angedacht?

 

Für freundliche und zeitnahe Kommunikation muss man sich entsprechend Platz freischaufeln und Prioritäten setzen. Auch die Beschaffung eines Bewerbermanagementsystems und die Einrichtung von Self Service Zonen kosten Geld. Insgesamt gute Tipps, die aber nicht von allen Unternehmen 1:1 umgesetzt werden können. Zudem kommen die erwünschten Bewerber nicht immer über direkte Bewerbungen auf die Firma zu. Da kann die Ausschreibung noch so gut sein. Viele sind nicht aktiv auf Jobsuche, aber einem Firmenwechsel trotzdem nicht abgeneigt. Diese müssen auf Social Media bzw. via Netzwerke angesprochen oder auf Berufsplattformen wie z.B. XING oder LinkedIn gefunden werden. Achtung: 70% sind hier bereit, beim richtigen Angebot zu wechseln, obwohl sie eine Veränderung zunächst gar nicht geplant hatten! Aber um hier wirklich vernünftige Ergebnisse zu erhalten, kostet auch ein professioneller Zugang auf diesen Plattformen wieder extra.

Deshalb ist es oft sinnvoll und kostensparend, die Personalsuche, oder Teile davon, an einen professionellen externen Personalberater auszulagern. Sie sparen damit nicht nur Zeit und Nerven, sondern erhöhen auch Ihr Firmenimage bei Bewerbern und die Chance schlussendlich die richtige Mitarbeiterin oder Mitarbeiter beim Onboarding ohne Stress begleiten zu können!

 

 

 

 

 
(Bildnachweis: Fotolia)